Aktuell machen die Hanauer Richter wieder einmal von sich Reden: Ein Mutter wurde freigesprochen, weil sie ihren zum Tatzeitpunkt vierjährigen Sohn in einen Sack gesteckt, diesen zugebunden und den kleinen Menschen sich selbst überlassen hat. Er ist an Erbrochenem erstickt. Pseudoreligiöse Motive sollen die Tat beeinflusst haben.

Soweit diese – auch in der Verhandlung - wohl unbestrittene Sachlage. Dass dieser Vorgang aus juristischen Gründen für eine Verurteilung nicht ausreichte, diese Einschätzung wird wohl für immer ein Geheimnis der Richter bleiben, die „im Namen des Volkes“ dieses Urteil am Landgericht Hanau verkündet haben. Natürlich muss sich auch ein juristischer Laie mit dem Prinzip auseinandersetzen, dass Recht und Gerechtigkeit immer öfter zwei Paar Schuhe für ein und denselben Vorgang sind. Gewiss lässt sich auch nicht jeder Vorgang – sei er ethisch auch noch so verwerflich – in Paragraphen fassen, die eine Ahndung ermöglichen.

Allerdings drängt sich bei kritischer Betrachtung immer wieder der Eindruck auf: Viele Richter (m/w/d) zeigen deutlich immer häufiger mehr Verständnis für „Täter“, und den Opfern wird immer weniger Aufmerksamkeit von der Justiz zuteil. Der jüngste Fall macht dies überdeutlich, zumal der verstorbene kleine Junge keine „Lobby“, zum Beispiel in Form von Nebenklägern, hatte. Aktuell präsentiert sich ein weiterer Fall nicht gerade als Ruhmesblatt für die Justiz. Ein wegen des Mordes an der 17-jährigen Zoe aus Ludwigshafen schuldig gesprochener 19-jähriger Triebtäter muss aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Der Grund: Das Urteil war noch nicht rechtskräftig, das Revisionsverfahren dauerte zu lange.

Damit soll keineswegs der Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ ausgehebelt werden. Wenn aber in deutschen Gerichtsälen mittlerweile die von den Ermittlungsbehörden gefundenen Beschuldigten deutlich höheren „Vertrauensschutz“ genießen, als die Opfer von Straftaten, dann ist es kein Wunder, wenn der Glaube an die Justiz bei den Menschen immer weiter abnimmt. Aussagen wie „die lassen die Verbrecher sowieso gleich wieder laufen“, sie mögen Stammtischparolen sein. Aber mittlerweile schwirren diese Sätze in den Köpfen sehr vieler Menschen herum – nicht nur im Wirtshaus. Die Justiz hat dem – nicht zuletzt mit diesem Urteil des Hanauer Gerichts – ein weiteres Mal unmissverständlich Vorschub geleistet. Für manch einen ist Justitia, als die zuständige Göttin der Gerechtigkeit, wegen dieses gespaltenen Bewusstseins ein Fall für die Psychiatrie. Die Justiz soll schließlich die Werte menschlichen Zusammenlebens schützen und nicht umgekehrt Täter vor den ethischen Grundsätzen der Gesellschaft.

Zum Autor

Im Jahre 1971 startete Hans-Jörg Vogler (72) als nebenberuflicher Vereinsberichterstatter seine journalistische Karriere und nach Stationen als Redaktionsleiter und Publizist mehrsprachiger, internationaler Kundenmagazine sowie als Autor von vier Büchern ist der gelernte Redakteur bis heute in Biebergemünd als "Freier Autor" aktiv. Von 1977 bis 2001 gehörte Vogler - mit einer kurzen Unterbrechung - als CDU-Abgeordneter dem Main-Kinzig- Kreistag an und war zehn Jahre lang CDU-Fraktionsvorsitzender in Erlensee. Partei und aktiver Politik hat er seit langem den Rücken gekehrt.


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