Wie halten Sie es mit Rassismus?

Ei Gude wie
Tools

Wie halten Sie es mit Rassismus? Also ich bin nicht reinrassig. Ich bin so ein typisch deutsches Nachkriegskind. Mutter evangelisch und Hessin. Vater katholisch und Sudetendeutscher, also Flüchtling. Mein Vater bezeichnete sich nie als Flüchtling oder Heimatvertriebener, denn er landete als Kriegsgefangener im amerikanischen Lager in Rothenbergen. Für ihn hatte der Krieg in Frankreich im Lazarett als verwundeter Soldat geendet. Durch die neugeschaffenen Grenzen nach dem Krieg war es ihm nicht möglich, in seine angestammte Heimat zurückzukehren.

Er sprach nicht viel über den Krieg. Seine Auslassungen über die amerikanische Kriegsgefangenschaft waren stets positiv. Er sprach nie schlecht über die amerikanischen Besatzer. Für ihn war Hessen seine zweite, seine neue Heimat. Viele Jahre fuhr er zum Jahrgangstreffen seiner ehemaligen Mitschüler aus seiner alten Heimat in die fränkische Stadt Lichtenfels. In den Jahren nach dem Mauerfall zog es ihn noch einmal in seinen Geburtsort zurück. Es war wohl eher Neugierde als Nostalgie und Heimkehrwunsch. Er hatte sich schon längst in seiner neuen Heimat integriert. Für ihn war der Verlust der Heimat eine logische Konsequenz des Ausganges des Zweiten Weltkrieges.

Mich hat meine Herkunft erst im späteren Alter beschäftigt. Ich bin in Neuenhaßlau geboren und fühle mich als waschechter Hässeler Bub. Das ist meine Heimat. Wenn ich mich aber mit dem Schicksal meiner Sudetendeutschen Vorfahren beschäftige, komme ich schnell zum Schluss, dass die falsche deutsche Politik von 1933 bis 1945 im Wesentlichen für die Grenzziehung danach und unser aller Schicksal verantwortlich ist. Aus dieser Historie hat sich meine Einstellung entwickelt.

Für mich ist Rassismus ein bitterböses Übel. Davon abgesehen, dass ich es für den völlig falschen Weg halte, führt er auch in die verkehrte Richtung. Zudem lenkt er von den tatsächlichen Problemen völlig ab. Für mich sind Rassismus und Antisemitismus die Kinder von Faschismus und haben in einer demokratischen, auf Frieden ausgerichteten Gesellschaft nichts verloren. Wir sollten uns auf unsere innenpolitischen Probleme konzentrieren.

Unsere Gesellschaft schien für mich zu kippen. Die Mitte hat sich gemeldet. „Nie wieder ist jetzt!“ In vielen Orten demonstrieren hunderttausende von Menschen für unsere Demokratie. Das gefällt mir, wenn Menschen gegen Faschismus aufstehen. Wir sind alle Menschen. Aber auch das ist bundesrepublikanische Realität: Immer mehr Rentner können von ihrer Rente nicht mehr leben. Viele Menschen sind auf die Lebensmittel der Tafeln angewiesen. Mütter und Väter haben mehrere Arbeitsplätze, um die Familie zu ernähren. Dass so etwas in einem so wohlhabenden Land wie dem unseren möglich ist und scheinbar von einer Mehrheit hingenommen wird, das bringt einen wie mich in Rage. Mit den alten Parolen aus vergangener Zeit, werden wir unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder nicht meistern. Es sind die scheinbar immer wieder kehrenden einfachen Lösungen, die uns in die Irre führen sollen und werden. Damit lösen wir keine Probleme, sondern schaffen neue. Ei Gude, wie!

Zum Autor

Er sei ein waschechter Neuenhaßlauer, sagt er von sich selbst. Helmut Müller (71) ist in Neuenhaßlau als 4. von 7 Kindern geboren und ein typisches Nachkriegskind dazu. Seine Mutter Hessin und evangelisch, sein Vater Sudetendeutscher und katholisch, aber kein Flüchtling, sondern Kriegsgefangener, der nicht in seine angestammte Heimat zurückkonnte. Er wächst in einem 4 Generationen Haus mit den Eltern, sechs Geschwistern, Oma und Opa sowie Onkel und der Ur-Großmutter auf. Der Spielplatz war die Straße. In der Volksschule, die er mit dem Hauptschulabschluss beendete, war deutsch seine erste Fremdsprache, die er lernen musste. In späteren Jahren hat er seine mittlere Reife und das Fachabitur für Wirtschaft und Verwaltung nachgeholt und das Ganze als Diplom Verwaltungswirt (FH) abgeschlossen. Er war in etlichen Vereinen aktiv. Man könnte ihn getrost als „Vereinsmeier“ bezeichnen. Er hat dabei fast alle Positionen, die ein Vorstand hat, begleitet. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von Aschaffenburg News!