Stadtrat Alzenau sagt Nein zu Nikolaus Fey

Alzenau
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Darf eine Straße in Alzenau weiter nach einem Menschen benannt sein, der sich als Propagandist der Nationalsozialisten hervorgetan und für die Regierung des Generalgouvernements in Polen gearbeitet hat? Eine Straße, in der pikanterweise auch noch eine Schule liegt, die nach der im Konzentrationslager Ausschwitz-Birkenau ermordeten Philosophin und Frauenrechtlerin Edith Stein benannt ist?

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Der Alzenauer Stadtrat hat in seiner Sitzung am Donnerstag, 28. Oktober, nach teils emotionalen Rede-Beiträgen, mehrheitlich mit 16 zu acht Stimmen entschieden, dass die nach dem Heimatdichter Nikolaus Fey benannte Straße künftig anders heißen soll. Der Antrag zur Umbenennung kam aus den Reihen der SPD, doch letztendlich findet damit eine Geschichte ihren Abschluss, die seit Frühjahr dieses Jahres in Alzenau kontrovers diskutiert worden ist und auch schon Thema im Stadtrat war.

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, vor allem Anwohner der Nikolaus-Fey-Straße, verfolgten die Sitzung des Stadtrates. Zu Beginn wandte sich Irene Treffert, Ehrenbürgerin der Stadt Alzenau und ehemalige Stadträtin, an die versammelte Runde: „Wie können wir in wenigen Wochen den dritten Gedenkort für unsere in der NS-Zeit verfolgten und ermordeten jüdischen Mitbürger einweihen und gleichzeitig einem anerkannten Nazi einen Ehrenplatz zugestehen?“ Treffert appellierte an die Stadträte in dieser „moralischen Frage nicht nach Fraktionszwang abzustimmen.“

Bürgermeister Stephan Noll (CSU) berichtete von seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel in der vergangenen Woche und erklärte: „Niemand von uns hat Schuld an den Verbrechen der Nationalsozialisten. Aber es liegt in unserer Verantwortung, was heute und in Zukunft passiert. Es geht hier nicht darum ein Zeichen zu setzen, es geht um Haltung.“ Daher sprach sich Noll ganz klar für eine Umbenennung aus und erteilte der Beibehaltung des Namens, ergänzt durch eine am Straßenschild angebrachte Erklärung, eine deutliche Absage.

Wie tief Fey in das Unrechtsregime der Nationalsozialisten verstrickt war, wurde Ende 2020 bekannt. Damals legte die Würzburger Straßennamenkommission ihren Abschlussbericht vor und empfahl unter anderem die Umbenennung der dortigen Nikolaus-Fey-Straße. Am 29. April 2021 ist das Thema dann erstmals im Alzenauer Stadtrat diskutiert worden mit dem Ergebnis, im ersten Schritt die Anwohner der Straße zu befragen und Kontakt mit Michael Fey, dem Enkel des Heimatdichters, aufzunehmen.

Die Edith-Stein-Schule, die in unmittelbarer Nähe liegende Karl-Amberg-Mittelschule und die Erich-Kästner-Schule sowie die dort ansässige Firma „Wellpappe Alzenau“ stimmten in der Befragung für einen neuen Namen. Die Mehrheit der Grundstückseigentümer (15 von 27) wollte dagegen den alten Namen behalten oder mit einem erklärenden Zusatz versehen. Enkel Michael Fey sprach sich für einen "differenzierten Blick" auf die Sache aus. So sei sein Großvater "zwar überzeugter Nationalsozialist, aber kein menschenverachtender Fanatiker" gewesen.

Am 14. Oktober fand dann in der Prischoßhalle noch eine Anliegerversammlung statt. Dabei hätten die Anwohner vor allem ihre „starke Emotionale Bindung an die Nikolaus-Fey-Straße, nicht aber an die Person Nikolaus Fey bekräftigt“, wie Bürgermeister Noll berichtete. Allerdings habe es bei manchem auch Unverständnis über die Einbeziehung der Schulen gegeben. Da auf die Anwohner und Grundstückseigentümer nach einer Umbenennung Kosten für die Umschreibung von Ausweisen und Dokumenten zukomme, stellte Noll in Aussicht, diese nach Möglichkeit zu unterstützen, etwa durch Erlass der Gebühren für amtliche Dienstleistungen der Stadt. Das dieses Angebot nicht jeden Anwohner überzeugte, konnte man unter den Zuschauern der Stadtratssitzung deutlich erkennen.

Erleichtert dagegen zeigte sich Michael Lisczyk, Schulleiter der Edith-Stein-Schule. Seine Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Schule hatten sich in den vergangenen Monaten im Unterricht intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, darüber diskutiert und ein Video produziert. „Es ging heute Abend um eine Haltungsfrage. Man kann doch nicht Täter und Opfer in einer Straße gleichzeitig ehren.“

Hintergrund:

Nikolaus Fey (1881 - 1956) hat sich vor allem der fränkischen Mundart und dem fränkischen Brauchtum verschrieben. Neben seinem literarischen Werk war er zeitlebens vor allem für das Schauspiel „Florian Geyer“ bekannt. Für die Stadt Alzenau schrieb Fey 1951, anlässlich der Wiederverleihung der Stadtrechte, das Stück „Lukas, der Silberschmied von Alzenau“, das zum 2001 zum Stadtjubiläum noch einmal aufgeführt wurde. In der Niederschrift der Stadtratssitzung (Einsehbar unter www.alzenau.de) heißt es unter anderem: „Den Erkenntnissen der Würzburger Experten zufolge hat Fey u.a. aktiv an der Ausgestaltung nationalsozialistischer Propagandainszenierungen mitgewirkt und von der NS-Herrschaft persönlich profitiert. Darüber hinaus sieht die Kommission in Nikolaus Fey eine Person, die sich eine Vielzahl schwerer Verfehlungen während der NS-Zeit zuschulden kommen ließ. Hierzu rechnet die Kommission auch seine Beteiligung an der brutalen deutschen Besatzungsverwaltung in Polen inkl. dem Versuch zur Germanisierung dieses Gebiets und zur Vernichtung der polnischen kulturellen Traditionen ...).

Hier können Sie den Film der Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Schule anschauen:


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