Trotz Rückschlägen am Ball bleiben

Foto: Nadia Fiedler (Christophorus-Gesellschaft)

Bayern
Tools
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Ökumenische Christophorus-Gesellschaft hat es verstärkt mit Geflüchteten aus dem Jahr 2015 zu tun – Mohammeds Schicksal steht für viele

Er ist Angehöriger eines Volkes, das seit vielen Jahren in einem krisengeschüttelten Land lebt. Mehr möchte Mohammed nicht sagen. Auch seinen echten Namen verrät er nicht. Denn Mohammed hat Angst. Der 22-Jährige floh aus Ostdeutschland, wo er in schlechte Gesellschaft geraten war, über Umwege nach Würzburg. Dort fand er Hilfe bei der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft. Mohammed ist einer von 16 Männern, die derzeit an der Maßnahme „Betreutes Wohnen“ teilnehmen, berichtet die Christophorus-Gesellschaft.

Michael Thiergärtner, der das „Betreute Wohnen“ leitet, versteht, dass sich Mohammed Fremden gegenüber zunächst vor lauter Angst äußerst bedeckt hält: „Er wurde lange als Drogenkurier ausgenutzt.“ Mohammed schaffte es, auszubrechen. Und befürchtet nun, aufgespürt und angezeigt zu werden. Thiergärtner kennt den jungen Mann, seit dieser vor einigen Monaten, damals obdachlos, in der Kurzzeitübernachtung der Christophorus-Gesellschaft auftauchte: „Zufällig hatten wir gerade eine Wohnung frei.“ Mohammed zog ein. Kam ein paar Tage zur Ruhe. Nun ist er auf der Suche nach einem Job, was schwierig ist.

Den Arbeitsmarkt erlebe der junge Flüchtling als fast monopolartig geschlossen. Nur wer eine Ausbildung nachweisen könne, erhalte eine gut bezahlte Stellung. Mohammed habe keinen Gesellenbrief, dafür viel handwerkliche Erfahrung. Lange habe er einem Verwandten geholfen, der Fliesenleger war: „Wir haben immer saubere Arbeit abgeliefert.“ Aber seine Erfahrungen zählten hierzulande nicht viel. Chefs wollen Schwarz auf Weiß sehen, dass jemand eine Lehre hinter sich gebracht habe – trotz Fachkräftemangels. Mohammed sei immerhin schon mehrmals zum Probearbeiten eingeladen gewesen. Verdient habe er allerdings noch nicht viel.

Mohammed sei kein „Fall“ im „Betreuten Wohnen“, mit dem er und seine Kollegen im 08/15-Verfahren verfahren könnten, sagt Thiergärtner. Solche Fälle gebe es ohnehin kaum noch, betont der Sozialarbeiter. „An Mohammeds Beispiel ist abzulesen, dass jene jungen Männer, die 2015 nach Deutschland geflüchtet sind, allmählich im regulären Hilfesystem ankommen.“ Direkt nach seiner Flucht habe Mohammed als unbegleiteter Minderjähriger in der Jugendhilfe Unterstützung gefunden. Irgendwann sei die Maßnahme zu Ende gewesen. Den Übergang in ein ganz normales Leben in Deutschland habe Mohammed nicht geschafft – wie so viele.

Das wichtigste Instrument in der sozialen Arbeit sei die Sprache. „Wenn jemand kaum Deutsch spricht, macht das unsere Arbeit schwierig“, sagt Thiergärtner. Genau das stelle eine große Herausforderung im Blick auf das neue Klientel dar, das aus der Flüchtlingswelle von 2015 resultiere. Mohammed sei eine Ausnahme. Der junge Mann spreche gut Deutsch und könne sich gut ausdrücken. Er spreche oft in Bildern. Zum Beispiel, wenn er erklärt, warum er trotz ständiger Rückschläge am Ball bleibt. „Wenn man Durst hat, muss man aufstehen und sich Wasser holen“, sagt er. Manche Menschen seien von Wasserflaschen umzingelt, stünden aber nicht auf und verdursteten.

Mohammed wisse, dass man mitunter ein wenig pausieren müsse, selbst wenn man sehr „durstig“ sei, da sich die „Wasserflaschen“ nicht immer in greifbarer Nähe befänden. In Mohammeds Falls seien diese sehr schwer zu erreichen. Der junge Mann habe mit vielen Problemen zu kämpfen, was ihn enorm erschöpfe. Da wären zum einen drückende Schulden aus jener Zeit, als sein Vater schwer krank war und Mohammed sich Geld lieh, um es ihm für die Behandlungen zu schicken. Am Ende habe das alles nichts genutzt. Der Vater starb, was Mohammed in große Trauer stürzte. Die Mutter lebt noch in dem Land, aus dem er floh. Auch um sie sorge er sich.

Manchmal sei das Leben für Mohammed eine einzige Quälerei. Zum einen, weil es mit der Jobsuche nicht klappe. Vor wenigen Tagen sei dann auch noch sein Schwager gestorben. Jetzt habe seine Freundin Schluss gemacht. Mohammed ist frustriert. „Ich will endlich ein freier Mensch sein“, sagt der junge Mann zu Thiergärtner. Mit riesigen Hoffnungen sei er nach Deutschland geflohen, sagt Mohammed. Doch es gehe ihm noch immer nicht gut, obwohl er seit sieben Jahren für ein gutes Leben kämpfe: „Im Moment geht es mir hier genauso schlecht, wie es mir in meinem Heimatland erging.“

Immerhin hat Mohammed nun, wenn er sich mal wieder nicht zu raten weiß, Thiergärtner an seiner Seite. Zudem hat er jetzt eine feste Bleibe. Wer weiß, was geschehen wäre, wäre er nicht ins „Betreute Wohnen“ gekommen. Mohammed schluckt und guckt den Sozialarbeiter an: „Irgendwann, wissen Sie, machen die Nerven nicht mehr mit.“


Bildunterschrift: Michael Thiergärtner leitet das „Betreute Wohnen“ der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft in Würzburg.


PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von Aschaffenburg News!