Die blonden Locken sind modisch kurz, auch der fesche Schnauzbart will nicht recht ins Bild passen. Doch die Mitra auf dem Kopf und der Schriftzug „sanctus kilianus“ – „heiliger Kilian“ auf dem Kragen verraten, dass es sich um eine Reliquienbüste des heiligen Kilian handelt. Ein unbekannter Künstler schnitzte sie um das Jahr 1460 aus Holz. Normalerweise steht sie in der Spitalkapelle Sankt Sebastian in Mellrichstadt. „Sie ist eine der ältesten Reliquienbüsten in der Diözese Würzburg und wohl die einzige erhaltene Reliquienbüste des heiligen Kilian“, sagt Diözesankonservator Dr. Wolfgang Schneider. Er hat die Sonderausstellung „Der teure Mann. Die Wiederentdeckung der mittelalterlichen Kiliansbüste von Mellrichstadt“ kuratiert, die noch bis 30. Juli im Labor des Museums am Dom (MAD) in Würzburg zu sehen ist. Anhand ausgewählter Objekte erfährt man im MAD_Lab kompakt, wer der heilige Kilian war und was es mit der Reliquienverehrung auf sich hat. Noch etwas ist Schneider wichtig: „Wir wollen auch zeigen, welche Kostbarkeiten im Bistum zu finden sind – nicht nur in Würzburg.“

Die Reliquie des Heiligen ist von außen nicht sichtbar. Der Künstler hat in die Vorderseite des Gewands einen kleinen, viereckigen Ausschnitt eingeschnitzt. Darin ist kunstvoll gewundener und gekrauster, goldfarbener Draht zu sehen. In diesem sogenannten Leonischen Draht ist eine Reliquie des Heiligen gefasst. „Die Reliquie ist winzig“, sagt Schneider. Er selbst hat sie nicht gesehen. Das Gewand selbst ist mit feinen Pflanzenranken überzogen. Damit habe der Künstler Brokatstoff darstellen wollen, erklärt Schneider. Die Worte „sanctus kilianus“ in verblasster roter Schrift seien unter vielen Farbschichten verborgen gewesen und erst bei der Restaurierung der Büste im Jahr 1980 wieder entdeckt worden. Zuvor habe man lange Zeit nicht mehr gewusst, wen die Büste darstellen sollte. Schneider vermutet, dass sie ursprünglich in der Mellrichstädter Pfarrkirche Sankt Kilian gestanden haben könnte.

„Die Büste entspricht so gar nicht unserem Bild vom heiligen Kilian, das vor allem von Tilman Riemenschneider geprägt ist“, sagt Schneider. Um zu sehen, wie sich Riemenschneider den Heiligen vorstellte, muss man sich nur umdrehen: Genau gegenüber ist eine Büste des Heiligen aus der Werkstatt Riemenschneiders aufgestellt. Die Kirchenstiftung Sankt Burkard in Trappstadt hat sie dem Museum als Leihgabe überlassen. Hier wird Kilian als würdevoller älterer Mann mit blassem, asketischem Gesicht und dunklen Locken dargestellt. In den Händen hält er ein Schwert und den Bischofsstab. Entstanden ist die Büste um das Jahr 1510 aus Lindenholz. Das sei die „klassische Darstellung“, sagt Schneider. Anhand weniger ausgewählter Stücke gelingt es der Ausstellung, den Gästen die Bedeutung des heiligen Kilian sowie der Reliquienverehrung nahezubringen. Gemeinsam mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan war Kilian vor mehr als 1300 Jahren aus Irland nach Franken gekommen und hatte den christlichen Glauben mitgebracht. Doch als er sich in die Ehe des damaligen Herzogs Gosbert mit Gailana einmischte, der Witwe seines Bruders, ließ diese im Jahr 689 die Frankenapostel ermorden. Das Gemälde „Die Ermordung des heiligen Kilian“, gemalt von einem fränkischen Maler um das Jahr 1725, zeigt, wie Gailana die Frankenapostel meucheln ließ.

Erst rund 60 Jahre später wurden die Leichen der Frankenapostel gefunden. Die Knochen werden als Reliquien verehrt. „In seinen Reliquien ist der Heilige noch greifbar, und der Schädel ist die wichtigste Reliquie.“ Während der Kiliani-Wallfahrtswoche, die jedes Jahr um den Gedenktag der Frankenapostel am 8. Juli gefeiert wird, wird der Schrein mit ihren Häuptern im Würzburger Kiliansdom aufgestellt. In der Ausstellung ist der Schädel eines unbekannten Heiligen aus der Pfarrkirche Sankt Kilian und Gefährten in Haßfurt zu sehen. Die Reliquie ist in drei Lagen Stoff gehüllt – zuunterst ein mittelalterlicher Stoff, darüber ein kunstvoll bestickter Stoff aus der Zeit von Fürstbischof Julius Echter, und schließlich – teilweise zur Seite geklappt – ein leuchtend roter Seidenstoff aus dem 17. Jahrhundert. Zu sehen ist außerdem ein Armreliquiar aus vergoldetem Kupfer, entstanden um 1400 in Venedig, mit kunstvollen Durchbrüchen im Ärmel. Die Reliquie ist allerdings nicht mehr vorhanden. 

Früher gab es im Bistum auch Silberbüsten für Reliquien. Ein Entwurf des Würzburger Malers Oswald Onghers von 1674 zeigt einen klassischen Kilian im Bischofsornat mit langem Bart. Doch im Ersten Koalitionskrieg (1792-1797) seien Kunstschätze eingeschmolzen worden, um die Kriegskosten zu zahlen. „Fast alle Würzburger Reliquienbüsten wurden damals eingeschmolzen“, sagt Schneider. So auch die Büste, die nach Onghers Entwurf gefertigt wurde. Das Museum am Dom ist dienstags bis sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Informationen auf der Homepage (www.museum-am-dom.de). 

© Kerstin Schmeiser-Weiß (POW) | Die mittelalterliche Kiliansbüste aus der Spitalkapelle in Mellrichstadt ist nicht nur eine der ältesten erhaltenen Reliquienbüsten, sondern auch von hoher künstlerischer Qualität.


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