Bericht aus der gemeinsamen Kabinettssitzung Bayern und Sachsen

Politik
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Die Bayerische Staatsregierung und die Sächsische Staatsregierung sind am Dienstag, 2. Mai 2023, zu einer gemeinsamen Kabinettsitzung in Wunsiedel zusammengekommen. Im Fokus standen der inhaltliche Austausch und die Vertiefung der Zusammenarbeit, insbesondere der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung:

Kooperationsvereinbarung zwischen dem Freistaat Bayern und dem Freistaat Sachsen: Der Freistaat Bayern und der Freistaat Sachsen wollen künftig noch kraftvoller an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten. In der Überzeugung, dass Beziehungen, die auf gemeinsamen Werten beruhen, Vorteile für Menschen, Wirtschaft und gesellschaftliches Miteinander mit sich bringen, schließen die beiden Länder eine Kooperationsvereinbarung. Bayern und Sachsen sind nicht nur Nachbarn, sondern verstehen sich auch als Partner und Freunde.

I. Präambel
Bayern und Sachsen verbindet viel mehr als ihre gemeinsame Grenze. Sie sind durch eine lange wechselhafte Geschichte verbunden. Beziehungen zwischen den beiden Ländern konnten sich im Laufe der Zeit entwickeln. Beide Länder sind Freistaaten und stolz darauf. Hier haben Heimat, Weltoffenheit und Hightech Zukunft. Beim Neuaufbau nach der Wiedervereinigung waren Bayern und Sachsen Partnerländer. Beide Länder sind finanzpolitisch stabilitätsorientiert und haben die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung aller deutschen Länder. Mit den Hightechzentren Deutschlands in München und Dresden beheimaten sie jedoch beide die Schlüsselbranchen der Zukunft. Beide haben starke Ballungszentren und Landschaften, die weltweit berühmt sind. Als Länder im Herzen Europas kreuzen sich hier seit vielen hundert Jahren die Mobilitätsachsen des Kontinents; daher haben Bayern und Sachsen auch beim Thema Verkehr ähnliche Interessen. In der Bildungspolitik belegen Bayern und Sachsen regelmäßig die ersten beiden Plätze bei Bildungsrankings. Die Qualität beständig fortzuentwickeln, ist geübte Politik in beiden Ländern. Das föderale Prinzip der Bundesrepublik sehen beide Länder als Zukunftsmodell und besondere Chance. Beide Länder möchten nun ihre langjährige Zusammenarbeit und ihre gemeinsamen Interessen in den Bereichen Wirtschaft und Energie, Verkehr und Bildung mit der Kooperationsvereinbarung auf ein neues Fundament stellen und zur Intensivierung des Austausches regelmäßige Regierungsgespräche durchführen und eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu den Themen Föderalismus und Digitalisierung einrichten. Konkret verständigen sich die beiden Staatsregierungen auf Folgendes:

II. Energie
Bayern und Sachsen sind starke und moderne Industriestandorte, die auf verlässliche, bezahlbare und nachhaltig gewonnene Energie angewiesen sind. Der Strombedarf beider Länder wird trotz Effizienzsteigerung und Energieeinsparung durch wirtschaftliches Wachstum und die Sektorenkopplung weiter zunehmen. Ein entschlossenes Vorangehen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wie auch beim Ausbau der Versorgungsnetze der Zukunft – Strom und Wasserstoff – kann nur von Vorteil sein. Daher vereinbaren wir gegenseitige Abstimmung und Unterstützung in allen Fragen zukunftsfähiger Energieversorgung. Von zentraler Bedeutung sind leistungsfähige Netze für den Stromtransport. Wir begrüßen alle Maßnahmen für einen schnellen Ausbau und werden gemeinsam dessen öffentliche Akzeptanz unterstützen. Bayern und Sachsen stehen hier mit ihren starken Wirtschaftszentren, aber auch weiträumigem ländlichen Raum vor ähnlichen Herausforderungen. Die zuverlässige Versorgung mit kostengünstiger Energie ist dabei essentiell. Gleichzeitig müssen beide Länder absehbar wegfallende gesicherte Leistung bei zunehmender Flexibilität kompensieren, in Bayern insbesondere durch den Ausstieg aus der Kernenergie und in Sachsen durch den perspektivischen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Zudem brauchen beide Länder ausreichend zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Energien, um eine heimische Produktion von grünem Wasserstoff aufzubauen, die den frühzeitigen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ermöglicht. Vom Bund fordern wir, das Tempo bei der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen für wettbewerbsfähige Energiepreise bei hoher Versorgungssicherheit noch zu erhöhen. Wir halten einen Stresstest für die Strom- und Gasversorgung in Analogie zum Stresstest des vergangenen Jahres auch für den bevorstehenden Winter 2023/2024 für notwendig. Deutschland braucht eine umfassende Strategie zur zukunftssicheren Versorgung mit Energie und muss dabei auch den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft in allen Regionen Deutschlands mitdenken. Darüber hinaus kommen Sachsen und Bayern überein, sich über die Möglichkeiten des Aufbaus einer länderübergreifenden Infrastruktur zur Wasserstoffversorgung abzustimmen und insbesondere die geplante Trasse von Thüringen über Sachsen nach Nordbayern gemeinsam voranzubringen. Bayern und Sachsen mit ihrer großen industriellen und forschungsorientierten Tradition sind entschlossen, ihre starke Wirtschaft auch in Zukunft an der Weltspitze auszurichten. Wir entwickeln und realisieren die Geschäftsfelder von morgen, von Wasserstoff- und Chiptechnologien über moderne Automobilität bis zur Flugbranche. Bayern und Sachsen sind auch Luftfahrtstandorte. Die Entwicklung und Produktion des Verkehrsflugzeugs Dornier 328 durch die Deutsche Aircraft an Standorten in Bayern und Sachsen oder die Gründung einer Allianz der europäischen Mikroelektronik-Regionen verdeutlicht die aktuelle Dynamik in beiden Ländern. Bayern und Sachsen wollen diese Dynamik weiter unterstützen und auf diesen Feldern noch enger kooperieren.

III. Verkehr
Bayern und Sachsen verfügen über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz sowie über wichtige Verkehrsknotenpunkte in Europa. Wir sind uns einig, dass schnelle und leistungsfähige Verkehrsverbindungen auf Straße und Schiene zwischen den Ballungsräumen Frankens und Sachsens notwendig sind, um die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder und den Austausch zwischen den Regionen zu fördern. Gemeinsame vorrangige Ziele sind die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel und die Reduktion von Emissionen. Konkrete Projekte der Zusammenarbeit sind insbesondere der weitere Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale sowie der Ostkorridor Süd als wichtige Verbindung zwischen den beiden Ländern, aber auch die Elektrifizierung der Strecke Dresden–Görlitz als natürliche Verlängerung der Franken-Sachsen-Magistrale in Richtung Polen und der Ukraine. Beide Länder stimmen darin überein, dass insbesondere der Bund seine Anstrengungen sowohl in finanzieller als auch in prozessualer Sicht forcieren muss.

IV. Bildung
Bayern und Sachsen sind die Bildungsländer Nummer eins in Deutschland: Das erweist sich regelmäßig durch gemeinsame Spitzenplätze in Rankings und Vergleichen. Zuletzt zeigte sich dies exemplarisch für die Grundschüler in beiden Ländern. Während die bayerischen Kinder vor den sächsischen auf Platz eins bei Rechtschreibung lagen, waren die Sachsen vor den Bayern Nummer eins im Rechnen (IQB-Bildungstrend Primarstufe 2021). Im Lesen und Zuhören sind beide gleich gut. Wir sind für diese Erfolge dankbar, sie kommen aber nicht von ungefähr und nicht von selbst. Sie stehen für das starke ideelle und finanzielle Engagement, das beide Landesregierungen in alle Facetten der Bildung investieren. Bayern und Sachsen wollen sich darauf aber nicht ausruhen und bündeln ihre Kräfte, damit wir auch künftig bei der Bildung die deutschen Chancen-Länder Nummer eins sind. Im internationalen Vergleich orientieren wir uns an der Weltspitze. Im Bereich der Digitalisierung tauschen wir uns intensiv über unsere Erfahrungen im Bereich der Ausstattung von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften mit digitalen Endgeräten sowie der Bereitstellung von Software für unsere Schulen aus. Zentrales Thema in allen unseren Schulen ist die Deckung des Lehrerbedarfs und die Besetzung freier Stellen. Unsere beiden Kultusministerien werden sich über neue Ideen für eine Stärkung der Attraktivität und aktuelle Entwicklungen im Bereich der Ausbildung für den Lehrerberuf austauschen. Weitere Themen können Konzepte zur Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen sowie die Stärkung der beruflichen Bildung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels sein. Ein weiterer Schwerpunkt in der Zusammenarbeit soll ein Ausbau der Erinnerungskultur sein. Wir wollen mit Bildungsarbeit und Veranstaltungen unsere gemeinsame, aber auch zeitweise getrennte Geschichte im Unterricht stärker thematisieren. Dabei nehmen wir besonders das Jahr 2025 in den Blick, in dem Chemnitz Europäische Kulturhauptstadt ist. Zudem wollen wir den Austausch der bayerischen und sächsischen Schülerinnen und Schüler verstärken. Gemeinsam nutzen wir unsere freundschaftlichen Beziehungen zum Nachbarland Tschechien, um auch hier den bildungspolitischen Dialog grenzübergreifend fortzuschreiben, den Lehrkräfte- und Schüleraustausch an allen Schularten zu fördern sowie Initiativen zum gegenseitigen Spracherwerb an den Schulen im Grenzraum zu intensivieren.

V. Regelmäßige Regierungsgespräche
Zur fortgesetzten Vertiefung ihrer gemeinsamen Beziehungen streben die Staatsregierungen der Freistaaten Bayern und Sachsen an, ihre Zusammenarbeit zu verstetigen und zu institutionalisieren. Hierzu sollen regelmäßige Regierungsgespräche durchführt werden. Ziel ist ein kontinuierlicher thematischer Austausch, um gemeinsame Projekte zu identifizieren, initiieren und durchzuführen. Die beiden Leiter oder Leiterinnen der Staatskanzleien und jeweils zwei weitere, von den jeweiligen Landeskabinetten bestimmte Ministerinnen oder Minister werden in der Regel digital und halbjährig Gespräche durchführen. Ein Wechsel auf Ministerebene ist nach Kabinettsabstimmung möglich.

VI. Föderalismus und Digitalisierung – länderübergreifende Zusammenarbeit
Die Freistaaten Bayern und Sachsen bekennen sich zur föderalen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist das Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Die Bundesländer bilden als Fundament gemeinsam die Bundesrepublik Deutschland. In den vielfältigen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Mittelpunkten der Länder werden regionale Bedürfnisse und Herausforderungen nahe an den Bürgerinnen und Bürgern erfasst und gelöst. Die Bund-Länder-Beziehungen stehen aufgrund vielfältiger Herausforderungen fortwährend auf dem Prüfstand. Insbesondere die Digitalisierung und die damit erforderlichen Veränderungen in den staatlichen Abläufen aber auch die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger spielen dabei eine zentrale Rolle. Föderalismus und Digitalisierung müssen sich ergänzen. Es bedarf kluger und abgewogener Vorschläge, wie die föderale Ordnung den Erfordernissen einer digitalisierten Welt gerecht werden kann und dabei gleichzeitig ihre Stabilität behält. Die Freistaaten Bayern und Sachsen vereinbaren, zu diesem Thema eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten einzusetzen, die in den kommenden Jahren das Thema bearbeiten soll und dazu Vorschläge entwickelt. Die beiden Staatskanzleien werden mit der Einrichtung beauftragt.


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