Alle vier Intensivstationen im MKK „rot“ gemeldet

Main-Kinzig-Kreis
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Die Corona-Lage in den hiesigen Krankenhäusern beschreibt der Main-Kinzig-Kreis als „höchst problematisch“. In den vier Kliniken befinden sich derzeit 49 Patientinnen und Patienten mit Covid-19, davon 15 auf den Intensivstationen. Wiederum 10 Menschen müssen beatmet werden.

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„Die Zahl der freien Intensivkapazitäten ist aus verschiedenen Gründen erheblich eingeschränkt. Man kann es ganz plastisch beschreiben: Mittlerweile ist es denkbar, dass ein Patient mit einem Herzinfarkt, der intensivmedizinische Betreuung braucht, über weite Strecken bis zu einem freien Behandlungsplatz in einem Krankenhaus gefahren werden muss, weil gerade die Kapazitäten in den Einrichtungen bei uns im Kreis erschöpft sind“, berichtet Landrat Thorsten Stolz (SPD).

Der Main-Kinzig-Kreis behält die Situation tagesaktuell im Blick und berät in den Sitzungen des Verwaltungsstabs über kurzfristige Schritte zur Entschärfung der Lage. Allerdings sind die konkreten Handlungsoptionen begrenzt – das exponentielle Wachstum bei den Corona-Neuinfektionen setzt sich seit vielen Tagen fort. Mehr Testen, mehr Impfkapazitäten, schärfere Schutzkonzepte: So wichtig diese Bausteine in der Pandemie sind, an der derzeitigen Akutlage im Rettungsdienst und bei den Krankenhäusern können die Kreise und Kommunen so nur bedingt etwas ändern. Und so fallen die jüngsten Sachstandsmeldungen an die Kreisspitze in immer größerer Dramatik aus.

Zum Beispiel im Rettungsdienst: Wenn ein Patient oder eine Patientin als intensivpflichtiger Notfall per Rettungswagen ins Krankenhaus muss, ist es bereits seit Tagen ein großes Problem, ein freies Bett zu finden. „Die Rettungsdienstteams können die nächstgelegene Klinik meistens gar nicht mehr ansteuern“, schildert Manuel Wilhelm, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Main-Kinzig-Kreis. „Dann werden die nächsten Krankenhäuser im Umkreis kontaktiert, danach die noch weiter entfernt gelegenen. Das ist wertvolle Zeit, die alleine für die Logistik verstreicht. Hinzu kommen die längeren Transportzeiten mit oft kritisch kranken Patienten.“ Die Intensivstationen der Krankenhäuser im Kreisgebiet haben in den vergangenen Tagen regelmäßig „rot“ gemeldet – keine weitere Aufnahme über den Rettungsdienst. Und damit waren sie bei weitem nicht alleine. Für das Rhein-Main-Gebiet sei die Lage „schon sehr dramatisch“, wie Wilhelm aus der täglichen Arbeit schildert. Wenn alle Kliniken in vertretbarer Reichweite nämlich keine Kapazitäten mehr angeben, erfolgt die Patientenzuteilung als sogenannte Notzuweisung, aktuell bereits eher die Regel als die Ausnahme. Eine Klinik, die also eigentlich trotz aller Bemühungen keine Versorgungsmöglichkeiten mehr hat, muss dann trotzdem Patienten vom Rettungsdienst übernehmen und weiterversorgen.

Zum Beispiel in den Krankenhäusern: Bis eine Klinik „rot“ meldet, muss schon viel passieren. Genau das ist in den vergangenen Tagen der Fall gewesen. „Mit einigem zeitlichen Versatz landet ein Teil der Covid-Neuinfizierten in den Krankenhäusern. Von Mitte Oktober bis Mitte November hat sich die Gesamtzahl von 18 auf fast 50 mehr als verdoppelt. Und der Höhepunkt bei der Zahl der täglichen neuen Fälle ist aktuell noch gar nicht in Sicht“, verdeutlicht Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler (SPD). Auf den Intensivstationen liegen ebenfalls deutlich mehr Menschen mit Covid-19, teils jünger als 60 Jahre und mit längerer Aufenthaltsdauer. „Es ist vielen Bürgerinnen und Bürgern vielleicht nicht klar, aber was an Kapazität für die Covid-Patientenschaft aufgewendet wird, fehlt zunehmend bei anderen Akutfällen. Eine Besserung ist auf Wochen, vielleicht auf Monate nicht in Sicht. Nicht weil Betten oder Gerätschaften fehlen, sondern weil es nicht genug Fachkräfte gibt“, so Simmler.

So leicht ist es daher den Kliniken nicht, weitere Kapazitäten zu schaffen. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Hanauer Covid-Stationen leisten einen herausragenden Job, schon seit über anderthalb Jahren“, sagt Claus Kaminsky, Oberbürgermeister von Hanau und Aufsichtsratsvorsitzender des städtischen Klinikums. „Sie werden nach Kräften unterstützt, auch aus anderen Bereichen der Häuser. Es werden Stationen umgewidmet, wir werden planbare Operationen verschieben müssen.. Aber das lässt sich nicht unendlich fortsetzen, gerade weil der Personalumfang endlich ist.“ Nach den kräftezehrenden Monaten der vorangegangenen Pandemiewellen habe der eine oder andere Kollege den Beruf beziehungsweise die fachliche Richtung gewechselt. „Eine Erkältungswelle, wie sie in den nächsten Wochen ohnehin nicht auszuschließen ist, geht dann zusätzlich an die Substanz.“

Dieter Bartsch, Geschäftsführer der Main-Kinzig-Kliniken, kann das für die Standorte Gelnhausen und Schlüchtern bestätigen. „Einerseits sind die Kliniken besser auf eine anhaltende Notlage vorbereitet als noch vor 20 Monaten. Dank des großen Engagements und der Flexibilität der Mitarbeiter werden permanent Strukturen angepasst, zudem haben sich die Krankenhäuser besser untereinander vernetzt.“ Andererseits reiche eine gute Infrastruktur allein nicht aus, um die tagtäglichen Herausforderungen zu bewältigen, deren Ursache in der dauerhaft hohen Belastung der Mitarbeiter liege. Bartsch betont: „Nicht an der Anzahl der Intensivbetten muss eine gute Versorgung gemessen werden, sondern an der Kapazität und Leistungsfähigkeit derer, die mit großer Professionalität die Patienten betreuen.“ Schon vor der Pandemie waren aufgrund der geringen Personalressourcen die Intensivkapazitäten extrem knapp. Diese Situation habe sich nochmals verschärft, wobei insbesondere die gesetzlichen, bundespolitischen Vorgaben aktuell die Versorgung für Krankenhäuser deutlich erschwere.

Für Landrat Thorsten Stolz sind all diese Entwicklungen Grund genug für schärfere Vorsichts- und Schutzmaßnahmen. „Es ist Teil unseres Alltags geworden, dass wir uns untereinander schützen und eigenverantwortlich auch abwägen, was in diesen Zeiten vielleicht zwar erlaubt, aber nicht unbedingt notwendig ist. Dieses Abwägen beginnt im Privaten, und Vorsicht und Umsicht sollten im Moment dabei leitend sein. Denn die Auswirkungen sind für uns alle in der Gesellschaft relevant“, so Stolz mit Blick auf die Situation im Rettungsdienst und in den Krankenhäusern. „Wenn der Punkt aber erreicht ist, an dem das Gesundheitssystem massiv Überlastung meldet, dann ist es allerhöchste Zeit, hier auch landeseinheitlich mit politischen Maßnahmen gegenzusteuern.“

Foto: Die Lage auf den Intensivstationen im Kreisgebiet ist äußerst angespannt. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeit des Rettungsdiensts.


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