Sie kennen den Spruch: „Abwarten und Tee trinken!“. Bedeuten tut es, dass man sich nicht beunruhigen soll, man braucht nicht nervös zu sein, man kann ruhig die weiteren Ereignisse abwarten. Wahrscheinlich war diese Redewendung ursprünglich die Ermahnung an ungeduldige Kranke, Kräutertee zu trinken und die Ausheilung abzuwarten. Ein Beispiel wäre auch: Solange die Prüfungsergebnisse nicht bekannt sind, kann ich nur abwarten und Tee trinken.
Die Weltmeister des Teekonsums leben nicht etwa in China oder Großbritannien, sondern im Nordwesten Deutschlands, in Ostfriesland. Rund 300 Liter Tee trinken die Menschen dort durchschnittlich pro Jahr. Kein Wunder also, dass sie sich eine eigene Mischung geschaffen haben, den Ostfriesentee. Er besteht aus zehn oder mehr Sorten schwarzen Tees, die Profis Jahr für Jahr aufs Neue sorgfältig zusammenstellen. Das Teetrinken hat in Ostfriesland eine lange Tradition und ist heutzutage ein Ausdruck ostfriesischer Geselligkeit und Kultur.
Auch auf Borkum können Sie die „Teetied“ genießen. „Omas Borkumer Teestübchen“ lässt hierbei keine Wünsche offen. Bei Oma wartet schon eine große Auswahl von ostfriesischen Teeportionen und Windbeuteln auf Sie. Wie sagte schon Heinrich Heine: Sie saßen und tranken am Teetisch und sprachen von Liebe viel; die Herren, die waren ästhetisch, die Damen von zartem Gefühl.
Der Genuss des Tees ist in Ostfriesland eine kleine Zeremonie. Die Zutaten: dünnwandige Porzellan Tassen, gern mit der roten "ostfriesischen Rose" oder blauem Dekor, Sahnekännchen, Sahnelöffel, die Zuckerdose "Kluntjepott" mit Zange, Stövchen und Teekanne. Zunächst kommt der Zucker, große Stücke weißer Kandis, in die Tasse. Die sogenannten Kluntje mit der meist zierlichen Zange sicher aus der Dose in die Tasse zu befördern, erfordert einige Fingerfertigkeit. Es folgt der heiße Tee. Die Kluntje sollen dabei hörbar knistern, sonst war der Tee zu kalt. Die Tasse bitte nicht bis zum Rand füllen. Nun geschieht, was für Teetrinker in manchen Teilen der Welt undenkbar wäre: Mit dem Sahnelöffel geben Ostfriesen einen Schuss Sahne an den Rand der Tasse, entgegen dem Uhrzeigersinn. Sie sinkt zunächst in den Tee und steigt wenig später als "Wulkje" wieder auf. Die Sahnewolke darf keinesfalls verrührt werden, sonst ginge die typische Geschmacksvielfalt verloren. Ein Dreiklang aus milder und kühler Sahne, kräftigem, herbem Tee sowie süßem Zucker. Hat der Gast seinen Tee ausgetrunken, sollte er sich nicht wundern, wenn ungefragt nachgeschenkt wird. Drei Tassen müssen es mindestens sein, dann kann der Teelöffel zum Einsatz kommen. Liegt er in der leeren Tasse, signalisiert dies: Danke, ich habe genug.
Wer mehr über die Teekultur Ostfrieslands erfahren und eine perfekte Teezeremonie erleben möchte, kann das Ostfriesische Teemuseum in Norden besuchen. Auch die deutsche UNESCO-Kommission hat den Brauch schon gewürdigt. Die ostfriesische Teekultur gehört seit 2017 zum immateriellen Kulturerbe. Ei Gude, wie!
Zum Autor
Er sei ein waschechter Neuenhaßlauer, sagt er von sich selbst. Helmut Müller (72) ist in Neuenhaßlau als 4. von 7 Kindern geboren und ein typisches Nachkriegskind dazu. Seine Mutter Hessin und evangelisch, sein Vater Sudetendeutscher und katholisch, aber kein Flüchtling, sondern Kriegsgefangener, der nicht in seine angestammte Heimat zurückkonnte. Er wächst in einem 4 Generationen Haus mit den Eltern, sechs Geschwistern, Oma und Opa sowie Onkel und der Ur-Großmutter auf. Der Spielplatz war die Straße. In der Volksschule, die er mit dem Hauptschulabschluss beendete, war deutsch seine erste Fremdsprache, die er lernen musste. In späteren Jahren hat er seine mittlere Reife und das Fachabitur für Wirtschaft und Verwaltung nachgeholt und das Ganze als Diplom Verwaltungswirt (FH) abgeschlossen. Er war in etlichen Vereinen aktiv. Man könnte ihn getrost als „Vereinsmeier“ bezeichnen. Er hat dabei fast alle Positionen, die ein Vorstand hat, begleitet. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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