Medizinische Hilfe kommt übers Wasser

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Krankenhausschiff „Papa Francisco“ im brasilianischen Partnerbistum Óbidos behandelt pro Monat bis zu 5000 Patienten am Amazonas – Von Ultraschall bis Operationssaal ausgestattet für nahezu jede Krankheit – Ärzte arbeiten ehrenamtlich.

Ganz leicht liegt der Geruch von Desinfektionsmittel in der Luft. Der Eingangsbereich wie auch die Behandlungsräume sind so stark heruntergekühlt, dass von der brasilianischen Hitze nichts mehr zu spüren ist. Und wenn man genau aufpasst, merkt man, wie der Boden leicht hin und her wankt. Nichts ungewöhnliches für das 38 Meter lange Krankenhausschiff „Papa Francisco“, das gerade am Hafen von Óbidos in der gleichnamigen Partnerdiözese des Bistums Würzburg liegt und für die nächste Expedition gereinigt, desinfiziert und neu beladen wird. „Die Krankheiten, die hier am häufigsten behandelt werden, hängen davon ab, ob der Fluss Hochwasser führt oder der Wasserpegel sinkt“, erklärt Tatiana Cruz. Sie ist Verwaltungsleiterin und arbeitet auf dem Krankenhausschiff seit dessen Einweihung im Jahr 2019. „Die Hochwassersaison führt zum Beispiel zu Durchfallerkrankungen, Erbrechen, grippalen Infekten, Unterleibs- und Rückenschmerzen oder Beckenbeschwerden. Die Nachfrage ist also sehr unterschiedlich, je nachdem, wie es der Region geht. Aber wir behandeln alle.“ Zweimal im Monat fährt das Krankenhausschiff im Bistum Óbidos für jeweils eine Woche aus. Das Bistum ist flächenmäßig halb so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Straßen sind schlecht ausgebaut, teilweise gar nicht vorhanden. Viele Orte sind nur auf dem Wasserweg erreichbar. So macht das Krankenhausschiff entlang des Amazonas an verschiedenen Orten Halt und behandelt direkt vor Ort die erkrankten Menschen. Für Bischof Bernardo Johannes Bahlmann war das 2014 der ausschlaggebende Grund für die Idee zum Krankenhausschiff. „Die Menschen in den kleinen Dörfern entlang der Flüsse sind sehr arm“, betont Bischof Bahlmann. Die Hälfte der Bevölkerung sei arm, rund 20 Prozent lebten gar in extremer Armut. Gerade im Hinterland fehle es an Fachärzten, und die erkrankten Menschen hätten oft nicht das Geld, um in die Großstädte wie Santarém oder gar in die Millionenstadt Belém zu gelangen. Bei der Idee des Krankenhausschiffes sei es umgekehrt. „Anstatt dass die Patienten zum Hospital gehen, kommt das Hospital zu den Kranken. Die Fachärzte kommen hierher und arbeiten ehrenamtlich auf dem Schiff.“

So gibt es auf dem Krankenhausschiff neben der Anmeldung und dem Impfraum auch einen augenärztlichen Praxisraum, einen Behandlungsraum für Zahnerkrankungen, Gynäkologie, sogar einen Operationssaal, ein Labor und eine Apotheke. Alle Räume sind sehr klein, teilweise sehr eng, doch das schafft Platz für die spezialisierte technische Ausstattung, beispielsweise Geräte für Röntgenaufnahmen, Ultraschall oder Mammografie. Ein Team aus rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist bei jeder einwöchigen Expedition dabei und schläft in dieser Zeit in den Kajüten auf dem oberen Deck des Schiffes. „Die Fachärzte, das sind meistens 15 bis 17 Personen, kommen aus anderen Regionen Brasiliens und sind in einem Freiwilligenprogramm“, erklärt Bischof Bahlmann. Für das ganze Jahr 2023 habe sich schon genügend freiwilliges Ärztepersonal gemeldet. „Wir haben jetzt in drei Jahren der Existenz dieses Krankenhausschiffes 315.000 Behandlungen gehabt. Also man kann sagen, praktisch jedes Jahr 100.000 Behandlungen“, zählt Bischof Bahlmann auf. Cruz ergänzt: „Egal wo wir hinkommen, der Bedarf an Behandlungen ist sehr groß. Wir behandeln zwischen 3000 und 5000 Patienten und Patientinnen im Monat.“ Die Anzahl der Patienten hänge von der Größe des Ortes oder der Gemeinde ab, an dem das Krankenhausschiff Station macht. Danach richte sich auch die Dauer des Aufenthalts. Je nach Andrang legt das Schiff mehrere Stunden, einen oder mehrere Tage an. Das Schiff ist für viele Krankheiten gewappnet. Davon konnte sich auch Bischof Dr. Franz Jung bei einer Pastoralreise durch das brasilianische Partnerbistum mit einer Delegation aus Würzburg sowie mit Bischof John Ndimbo aus dem Partnerbistum Mbinga in Tansania überzeugen. „Wenn die Menschen nicht zum Krankenhaus kommen, dann kommt das Krankenhaus zu den Menschen. Das ist sehr beeindruckend“, sagte Bischof Jung während seiner Reise. „Ich wünschte, wir hätten so ein Schiff auch bei uns in Tansania“, erklärte Bischof Ndimbo. Beide Bischöfe sind von diesem Hilfsangebot der Kirche in Óbidos beeindruckt. Für den Betrieb des Krankenhausschiffes „Papa Francisco“ sowie zwei weiterer, größerer Krankenhausschiffe, die das Behandlungsangebot ergänzen, ist die Franziskanergemeinschaft von der Göttlichen Vorsehung mit Sitz in São Paulo verantwortlich. Der Bau selbst wurde durch Bußgelder zweier Firmen finanziert, die 1992 einen Chemieunfall verursacht hatten. Bei dem Umweltdesaster kamen viele Menschen ums Leben. Die Staatsanwaltschaft übergab die Gelder an die Diözese Óbidos und die Franziskaner, die damit das Projekt verwirklichen konnten. Die laufenden Kosten werden vom Bundesstaat Pará getragen, der das Krankenhausschiff wie ein Krankenhaus anerkennt.

Foto: © Rebecca Reljac (Internetredaktion) | Bischof Bernardo Johannes Bahlmann (Zweiter von links) erklärt Einzelheiten zum Krankenhausschiff


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