„Ein Weg, der die Kirche voranbringt“

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Einen Einblick in die vierte Synodalversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt am Main und die nächsten Schritte haben die Teilnehmenden am „Digitalen Gesprächsabend zum Synodalen Weg“ am Mittwochabend, 2. November bekommen.

Auf Einladung des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg berichteten Bischof Dr. Franz Jung, Professor Dr. Thomas Söding, Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Mitglied im Synodalforum „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“, sowie Schwester Dr. Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen und Mitglied im Synodalforum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, von ihren Eindrücken. „Wir sind unterwegs auf einem Weg, der die Kirche voranbringt“, lautete das Fazit von Dr. Michael Wolf, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken, nach der fast zweistündigen intensiven Diskussion, der im Schnitt rund 75 Zuschauerinnen und Zuschauer folgten. Bischof Jung erinnerte noch einmal an den „Paukenschlag“, mit dem die Versammlung aufgrund der Ablehnung des Grundtexts „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ durch die fehlende Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe begonnen habe. Dies habe ihn umso mehr überrascht, als eine der Konsequenzen aus diesem Text – die Novellierung der Grundordnung – bereits auf den Weg gebracht worden sei. „Es waren Ärger, Frust, Trauer, aber auch sehr viel Zorn zu spüren.“ Zudem habe das Präsidium aufgrund des Zeitdrucks die Verabschiedung einiger wichtiger Vorlagen verschieben müssen, beispielsweise den Grundtext „Priesterliche Existenz heute“. Bischof Jung sah die Versammlung als eine „Lehrstunde der Synodalität“, die zur Reflexion auffordere – etwa über die Form der Abstimmung und die Rolle der Bischöfe, aber auch über den Umgang mit unvorhergesehenen Abstimmungsergebnissen, mit Minderheitenmeinungen oder mit der Rolle der Moderation.

Mit der fünften Synodalversammlung vom 9. bis 11. März 2023 werde die erste Phase des Synodalen Wegs abgeschlossen, berichtete der Bischof weiter. Dort werde ein Synodalausschuss zur Vorbereitung eines künftigen Synodalrates gebildet. „Der Synodalausschuss ist der Ort weiterer Beratungen, vor allem der Vorlagen, die im Rahmen des Synodalen Weges nicht mehr verabschiedet werden können.“ Die bislang beschlossenen Texte würden zum Ad-limina-Besuch der Bischöfe in Rom Mitte November mitgenommen, sagte Bischof Jung. Er nannte unter anderem die Frage nach dem Zugang von Frauen zum Amt und die Frage nach der Zölibatsverpflichtung. Auf der Ebene der Bischofskonferenz und im Bistum gelte es nun vier Punkte umzusetzen: die Novellierung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes, die Frage der Selbstbindung der Bischöfe und Domkapitel im Blick auf die Gewaltenteilung, das Überdenken und Nachbessern der diözesanen Gremienstrukturen und die Frage nach der Umsetzung der Beteiligung von Frauen am Dienst der Verkündigung und der Sakramentenspendung. Er sei zuversichtlich, dass im November die erneuerte Grundordnung beschlossen werde, erklärte Bischof Jung auf eine Nachfrage aus dem Chat: „Die muss dann natürlich jeder Bischof für sein Bistum in Kraft setzen.“

Professor Söding gab einen Überblick über die bisherige Arbeit im Forum „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“. Beim Machtmissbrauch durch Geistliche handele es sich um ein systemisches Problem der katholischen Kirche, sagte er: „Nur wenn Macht kontrolliert und Verantwortung geteilt wird, wird statt des Missbrauchs die Prävention systemisch.“ Der Weg dahin führe über Partizipation, garantiert durch die bischöfliche Leitung. Das Ziel sei mehr Transparenz und dadurch eine erhöhte Glaubwürdigkeit. Söding kritisierte, dass es zwar mehr Beteiligung an den Beratungsprozessen gebe, aber die Entscheidungen von den Bischöfen getroffen würden. „Wieso sollen Menschen, die qualifiziert beraten können, nicht auch an den Entscheidungen beteiligt sein?“ Darauf sei die katholische Kirche in Deutschland durch ihre Gremienstruktur gut vorbereitet. Söding wies auch auf die Gefahr hin, in einer eigenen „Blase“ zu leben. „Hier kann nicht einfach nur an den guten Willen der Führungskräfte appelliert werden, sondern es braucht Regeln auf die man sich verlassen kann, es braucht Strukturen und Transparenz.“ Das könne man etwa erreichen, indem man Orte und Zeiten definiere, an denen Rechenschaft abgelegt werde.

Dass der Grundtext „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ in zweiter Lesung angenommen wurde, bezeichnete Generaloberin Ganz als einen „wichtigen, wenn nicht gar historischen“ Schritt: „Es wurde deutlich gemacht, wie sehr die Kirche auf unseren Text gewartet hat.“ Nun gehe es um die Frage, was jetzt schon auf der Grundlage kirchenrechtlicher Bestimmungen möglich sei und was einer weiteren theologischen Debatte bedürfe. Für Ganz stand fest: „Wir können nicht akzeptieren, dass es weiterhin eine Geschlechterhierarchie gibt. Nicht die Zulassung von Frauen zum Amt ist heute begründungspflichtig, sondern ihr Ausschluss.“ Es sei zu klären, ob die bisherigen Aussagen zur Frauenordination tatsächlich letztverbindliche lehramtliche Entscheidungen seien oder ob es einen Spielraum gebe. Manche Formate seien zeitbedingt oder in einer patriarchalischen Gesellschaft entstanden, erklärte sie. Doch die Wahrnehmung der Rolle der Frau in der Gesellschaft habe sich grundsätzlich geändert. Auch in den mehr als 120 Einsendungen aus verschiedenen Ortskirchen auf weltkirchlicher Ebene sei in sehr vielen die Zulassung von Frauen zum Frauendiakonat gefordert worden, sagte Ganz. „Wir sehen, dass die Weltbischofssynode auch unseren deutschen Synodalen Weg stärkt.“

Rege genutzt wurde die Möglichkeit, im Anschluss an die Vorträge Fragen direkt oder über den Chat zu stellen. Ob es konkrete Ideen für eine bessere Transparenz auf Ebene der Bistümer gebe, lautete eine Frage an Bischof Jung. „Ich glaube, wir üben uns schon in einer großen Transparenz“, antwortete der Bischof. Das Bistum stehe vor riesigen Herausforderungen, die er als Bischof nicht alleine tragen könne. Sein Anliegen sei es, die diözesanen Gremien immer wieder zusammenzubringen. Als Beispiel nannte er das Diözesanforum am 29. Oktober. „Wir haben gemeinsam mit dem Diözesanrat die Vision für unser Bistum auf den Weg gebracht. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, die Strategie zu bestimmen, und auch hier gibt es eine Arbeitsgruppe, in der alle Gremien vertreten sind.“ Wie realistisch die Umsetzung der Aspekte zur Beteiligung von Frauen an Sakramentenspendungen sei, die in Deutschland ohne Rom machbar wären, wollte eine Zuschauerin wissen. Bischof Jung erklärte, dass sich die Pastoral-, Glaubens- und Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz bereits intensiv mit der Frage der Sakramentenspendung durch Frauen auseinandersetzten. Das Bistum Essen etwa erlaube bereits die Taufe durch nicht geweihte Seelsorgerinnen und Seelsorger. „Ich würde gerne die zweite Lesung abwarten und gemeinsam mit der Bischofskonferenz diesen Weg gehen.“ Söding warnte davor, dass sich die katholische Kirche durch ihren selbst produzierten „Gender Gap“ aus vielen wichtigen Feldern selber aus dem Spiel nehme.

Zum Abschluss forderte Moderator Ralf Sauer, stellvertretender Vorsitzender des Diözesanrats, alle Beteiligten auf, den folgenden Satz zu vervollständigen: „Der Synodale Weg in Deutschland ist für mich schon heute ein Erfolg, weil...“ Für Bischof Jung war wichtig, dass „die herausfordernde Situation erkannt worden ist und ein Forum geschaffen worden ist, in dem die Probleme, die uns beschäftigen, auf den Tisch kommen und offen ausgesprochen werden konnten“. Von externen Beobachtern sei die Rückmeldung gekommen: „Ihr könnt Euch glücklich schätzen in einer Ortskirche zu leben, in der es so viel theologisches Potential gibt, das viele Ortskirchen nicht haben, und noch so viele Gläubige, die mit Euch auf dem Weg sind und bereit, gemeinsam mit Euch nach konstruktiven Lösungen zu suchen.“ Generaloberin Ganz betonte, dass es verbindliche Entscheidungen gebe und keine Tabus mehr aufrechterhalten würden: „Es erfüllt mich immer wieder mit Dankbarkeit, dass wir so in unserer Kirche um zeitgemäße Verkündigung des Evangeliums ringen.“ Söding ergänzte den Satz: „Weil wir die gegenwärtige Krise der Kirche nicht flüchten, sondern ihr Stand halten.“ Man sei dabei, auf eine neue Weise zu entdecken, was Kirche ist. Diözesanratsvorsitzender Wolf stellte fest: „Weil wir miteinander reden, ohne übereinander zu reden. Wir ringen um die richtige Lösung. Im Gespräch bleiben heißt, zur besten Lösung zu kommen, die man bekommen kann.“

Foto: © Kerstin Schmeiser-Weiß (POW) | Bischof Dr. Franz Jung (links) diskutierte mit Teilnehmenden über seine Erfahrungen bei der vierten Synodalversammlung des Synodalen Wegs. Rechts Dr. Michael Wolf, Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg.


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