„Wir leben von Menschen, die ihre Verantwortung erkennen“

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Als Politiker und Verantwortungsträger in Kirche und Gesellschaft in der Verantwortung zu stehen, ist eine enorme Herausforderung und Gratwanderung. „Jeder, der heute ein öffentliches Amt innehat, steht unter Dauerbeobachtung“, sagte Bischof Dr. Franz Jung am Montagabend, 4. Juli, im Kiliansdom. „Meiner Erfahrung nach wird man mit den Jahren nicht abgehärteter, sondern dünnhäutiger.“

Bischof Jung dankte allen Frauen und Männern, die sich einbringen in Kirche und Gesellschaft, „gewählt oder freiwillig, bezahlt oder ehrenamtlich. Wir leben von Menschen, die ihre Verantwortung erkennen und dieser Verantwortung auch nachkommen wollen“. Mit über 600 Gläubigen feierte er bei der Kiliani-Wallfahrtswoche einen Pontifikalgottesdienst für Politiker und Räte. An der Feier nahmen unter anderem Landtagspräsidentin a. D. Barbara Stamm, die Landtagsabgeordneten Manfred Ländner und Patrick Friedl, Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Thomas Habermann, Landrat von Rhön-Grabfeld, sowie der Vorstand des Diözesanrats der Katholiken teil.

In seiner Predigt hob Bischof Jung hervor, das biblische Motto der diesjährigen Wallfahrtswoche „Verleih mir ein hörendes Herz“ sei auch eine zeitlose Bitte für alle Mandatsträger in Kirche und Politik. So wie der junge König Salomo seien auch alle Amtsträgerinnen und -träger aufgefordert, immer wieder kritisch hinzuhören und zu fragen, was sie wahrnehmen, wie sie sich dazu positionieren möchten und ob sie jeweils auch noch authentisch dazu sprechen können. Es bedürfe eines wachen Herzens, um sich selbst treu zu bleiben, betonte der Bischof.

Wer in Kirche und Gesellschaft Verantwortung trage, sei mit vielfältigen Erwartungen konfrontiert, die medial meist mit großem Druck und permanent alarmistischer Stimmung vorgebracht würden. „Dabei ist das Bedrängende der heutigen Herausforderungen gar nicht in Abrede zu stellen – jenseits der wachsenden Ungeduld, die kaum noch Zeit zum Durchatmen lässt.“ Es sei zudem klar, dass in einer globalen Welt nachhaltige Lösungen auch global verhandelt werden müssten. Das gelte auch für den Krieg in der Ukraine. Dieser führe die weltweiten Auswirkungen eines lokalen Konflikts „mit geradezu tektonischen Verwerfungen des Weltgefüges“ vor Augen.

Bischof Jung mahnte, im lauten Stimmengewirr der Gegenwart an die vielen Menschen zu denken, die jetzt durch die Inflation und Teuerung in Bedrängnis kommen und sozial abzurutschen drohen. Das Profil der großen Volksparteien verschwimme aktuell. Das sei angesichts der Komplexität der Herausforderungen, bei denen sich einfache Lösungen verbieten, nachvollziehbar. „Verantwortungsträger mit hörendem Herzen hüten sich vor der Versuchung, ihrerseits die Lagerbildung zu verschärfen.“ Nach den Worten des Bischofs heiße das nicht, mit allen und jedem den Ausgleich anzustreben. „Aber das Hinhören und Unterscheiden ist erforderlich, will man sich nicht selbst ideologisierend abschotten und zum Diskurs gerüstet sein.“ Lösungen, die tragfähig sind, bedürften einer breiten Basis, die heute mühsam auszuhandeln ist. Alle Entscheidungen blieben unter den momentanen Umständen immer prekär und bedürften der dauernden Nachjustierung.

Bischof Dr. Franz Jung feierte am Montagabend, 4. Juli, einen Kilianigottesdienst für Politiker und Räte. Eine Begegnung auf dem Kiliansplatz schloss sich an. Bischof Dr. Franz Jung feierte am Montagabend, 4. Juli, einen Kilianigottesdienst für Politiker und Räte. Eine Begegnung auf dem Kiliansplatz schloss sich an. Bischof Dr. Franz Jung feierte am Montagabend, 4. Juli, einen Kilianigottesdienst für Politiker und Räte. Eine Begegnung auf dem Kiliansplatz schloss sich an. Bischof Dr. Franz Jung feierte am Montagabend, 4. Juli, einen Kilianigottesdienst für Politiker und Räte. Eine Begegnung auf dem Kiliansplatz schloss sich an.
Wer in der Öffentlichkeit stehe, müsse lernen, auf sein Herz zu hören. Das bedeute unter anderem, die eigene Frustrationstoleranz regelmäßig zu testen, sagte der Bischof. Das hörende Herz helfe, einen gesunden Umgang mit gehässigen und unwahren Kommentaren im Internet zu finden und auch wahrzunehmen, wenn es Zeit ist, eine Verantwortung oder ein Amt abzugeben. „Wenn es einem persönlich nicht mehr guttut, kann man auch anderen nicht dienen in dem Maß, wie man es sich selbst zum Ziel gesetzt hat und den eigenen Ansprüchen genügen.“ Die Frankenapostel seien ein ermutigendes Vorbild. „Sie wollten nichts für sich, sondern dienten dem Wohl der Menschen. Sie haben für ihre Überzeugung mutig gestritten. Sie haben sich trotz Widerstands nicht verbiegen lassen, sondern sind vor Gott und den Menschen ihren Weg gegangen in Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit“, erklärte Bischof Jung.

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause fand diesmal nach dem Gottesdienst wieder eine Begegnung auf dem Kiliansplatz statt. „Das ist so schön und wertvoll, dass so etwas nach zwei langen Jahren, in denen wir darauf verzichten mussten, wieder möglich ist“, war allenthalben zu vernehmen. Viele Gottesdienstbesucher nutzten die Gelegenheit, mit den Mitgliedern der Domkapitels ins Gespräch zu kommen oder auch, ein Erinnerungsfoto mit dem Bischof zu knipsen.

„Der Bischof hat bei seiner Predigt den Fokus auf die Dinge gelegt, die im Moment im Argen liegen“, sagte Landtagsabgeordneter Patrick Friedl. Er selbst hätte sich aber gewünscht, dass darin auch mehr zur Sprache gekommen wäre, dass „in uns allen viel Lösungskompetenz steckt“. Friedl verspüre den Wunsch der gesellschaftlichen Mehrheit, gemeinsam gut durch die Krise zu kommen. An Papst Benedikts Rede vor dem deutschen Bundestag fühlte sich Landrat Thomas Habermann durch dessen Auslegung des Schrifttexts vom hörenden Herzen erinnert. „Ich nehme beim Politikergottesdienst an Kiliani immer gute und wichtige Worte mit.“ Habermann sagte, es sei für jeden Politiker wichtig, selbstkritisch zu sein. „Der Trost und das Verständnis, das der Bischof uns heute mitgegeben hat, haben gutgetan. Wir alle wissen: Einfach Lösungen für schwierige Themen gibt es nicht.“

Für Landtagsabgeordneten Manfred Ländner hat Bischof Jung mit seiner Predigt den Kern der aktuellen Herausforderungen gut getroffen. Dass beispielsweise die Angriffe auf Politiker zunähmen, zeige die Statistik. Ihn selbst betrübe vor allem die Geringschätzung, die Menschen erführen, die sich politisch engagieren. Das bereite Ländner im Blick auf die Zukunft Sorgen. „Wo soll das hinführen, wenn sich als Konsequenz keiner mehr für eine solche Aufgabe gewinnen lässt?“


Foto: Copyright Markus Hauck (POW)


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