Intensiver Blick auf die unbekannten Seiten des Judas

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Ein Baugerüst, daran ein Strick, alles getaucht in unwirklich bläuliches Licht. In dieser abstrakten Kulisse hat Kai Christian Moritz am Mittwochabend, 13. April, vor rund 250 Zuschauern in der Würzburger Augustinerkirche dem Verräter Judas ein Gesicht und eine Stimme gegeben: „Seit 2000 Jahren versuchen Menschen, mich zu begreifen.“

In ihrem Theatermonolog „Judas“ versucht die niederländische Autorin Lot Vekemans, eine Antwort zu geben. Das Publikum erlebte einen zutiefst widersprüchlichen Menschen, der an Jesus glaubt und zugleich an ihm verzweifelt, der zwischen lautstarker Selbstüberzeugung und stiller Reue schwankt. Der auf seinem T-Shirt ein übergroßes Bild von Jesus mit der Dornenkrone trägt, und darunter den Schriftzug „Kill Your Idols“. Jesus sei anders als die anderen Messiasse jener Zeit gewesen, sagt Judas: „Ich erwartete viel von ihm – als Führer, als König der Juden.“

Als Jesus seinen eigenen Tod ankündigt, ist das für Judas zunächst eine „fixe Idee“: „Er hatte angefangen, den Mythos über sich selbst zu glauben. Ich wollte ihn wachrütteln. Ich wollte nicht, dass er stirbt.“ Judas sieht sich selbst als einen Macher, der die Dinge in die Hand nimmt, und bezeichnet die übrigen Apostel überheblich als „einen Haufen von Angsthasen“: „Wenn man nichts tut, kann man auch nichts falsch machen, und auch nichts richtig.“ Immer wieder bezog Moritz das Publikum mit ein: „Hätten Sie ihn in Jerusalem als Erlöser empfangen? Oder wären Sie hinter den Fenstern gestanden?“ Was wäre passiert, wenn Jesus nicht am Kreuz gestorben wäre? „Würden Sie sagen: Jemand musste das tun?“ Bis zum Schluss quält ihn die Frage, ob Jesus ihm den Verrat vergeben habe. Dirk Rumig begleitete die Aufführung expressiv auf dem Saxophon. Am Ende der rund eineinhalb Stunden dauernden Aufführung dankten die Zuschauer mit donnerndem Applaus.


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