Kahl: Adelsfamilie nimmt 21 ukrainische Waisenkinder auf

Foto: 5vision.media

Emmerichshofen
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Ein bundesweit bisher einzigartiges Projekt wurde am Samstag im Rhein-Main-Gebiet, nach wochenlanger Planung und Abstimmung zwischen ukrainischen Militärbehörden, dem Landratsamt, den sozialpädagogischen Ämtern und den Hilfsorganisationen, verwirklicht. 21 ukrainische Waisenkinder im Alter von zwei bis zehn Jahren durften mit ihren zehn Vormündern die Hauptstadt Kiew am Freitag verlassen und ihre Reise nach Deutschland antreten.

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Nur einen Tag vor der geplanten Abfahrt aus Kiew, am Donnerstagabend, kam es zu Raketenangriffen auf die Hauptstadt. Die Flüchtenden waren davon jedoch glücklicherweise nicht betroffen.

Ziel war das bayrische Kahl am Main. Eine dort wohnhafte deutsche Adelsfamilie hat auf ihrem 580 Hektar großen Anwesen ein idyllisch gelegenes ehemaliges Hofgut, den Lindenhof am Lindensee, als Waisenhaus für die Kinder zur Verfügung gestellt. Die Kinder konnten nach ihrer stundenlangen Reise am Samstagabend am Schloss Emmerichshofen von den Hilfsorganisationen und dem Landratsamt in Empfang genommen werden. Von dort aus wurden sie auf kleinere Fahrzeuge, die von der Feuerwehr aus Kahl und den benachbarten Feuerwehren aus Alzenau sowie dem Bayrischen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt wurden, aufgeteilt und zum abseits gelegenen Lindenhof gefahren.

Die Lage des Hofguts ist sehr außergewöhnlich. Er liegt inmitten der privaten Erholungs- und Seenlandschaft der Adelsfamilie, in unmittelbarer Nähe zum angrenzenden Lindensee. Dass auf dem Anwesen geflüchtete Menschen aus dem Kriegsgebiet unterkommen, ist jedoch nicht das erste Mal in der Geschichte. Denn das Schloss und die Nebengebäude wurden im Krieg bereits als Kinderheim genutzt und nach dem 2. Weltkrieg von Flüchtlingen bewohnt.

Bereits am vergangenen Dienstag hatte die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde Kahl mit mehreren Einsatzkräften einen großen Bestand an Mobiliar zum neuen Waisenhaus angeliefert. Darunter waren Betten, Tische, Regale und viele weitere Materialien für den Wohnbedarf. Am Mittwoch hatte die Feuerwehr Verpflegungspakete bereitgestellt, die ein deutsches Busunternehmen, welches die Abholung der Waisenkinder und Betreuer von der polnisch-ukrainischen Grenze organisierte, dorthin mitgenommen hatte. Die Flüchtenden sollten somit für die gesamte Fahrzeit mit Proviant versorgt sein. Die zwei Fahrer des Busses waren ehrenamtlich und unentgeltlich beteiligt. Auch das Benzingeld wurde für das Projekt gespendet. Am Samstag konnten die Geflüchteten dann endlich in Kahl in Empfang genommen werden. Eine medizinische Einheit vom Bayrischen Roten Kreuz aus Kahl am Main war ebenfalls vor Ort, um den Kindern und den Betreuern eine erste medizinische Versorgung zu ermöglichen. Im Vorfeld wurde die Immobilie durch das Landratsamt besichtigt und der Brandschutz im Gebäude sichergestellt. Dafür wurde sogar extra ein Gerüst an der Seite des Gebäude erbaut, um einen vorgeschriebenen zweiten Rettungsweg für das Objekt zu realisieren.

In einem Interview erklärte das Sozialamt, dass die Kinder von insgesamt zehn Erzieher:innen, die gleichzeitig auch die Vormundschaft verantworten, begleitet werden. Es werden also demzufolge die bestehenden Strukturen aus der Ukraine nur nach Deutschland verlagert. Betrachtet wird das Ganze wie ein üblicher Haushaltsverband. Auf dem großen Anwesen rund um den Lindenhof in Kahl am Main haben die Kinder nun viel Platz zum Spielen und die Gelegenheit, sich von den hautnah erlebten Eindrücken im Rahmen des Ukraine-Krieges zu Erholen. Wie lange die Kinder in Kahl am Main wohnen bleiben ist aufgrund der aktuellen Lage in der Ukraine noch völlig unklar.

Fotos: 5vision.media


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